Möbel - die versteckte Intelligenz

Eine Abhandlung von Dr. M. Odinger

"Noch nicht fertig gezeichnet.
Dumpf wummert der Puls im Kopf. Ungewohnt laut und beherrschend. Fies zieht der Schmerz vom Nacken in die Stirn und das grellblendende Licht des Radioweckers verhindert das Offenhalten der Augen. Langsam bemerkt man die eigenwillige Liegeposition. Die Füße am Kopfende eingespreizt, den Kopf im Eck tief vergraben, gleichsam der ganze Körper zwischen Bett und Wand verkeilt.
Da war doch was vor dem Einschlafen. Da war...ja, verdammt- dieses Bett!


Ganz unheimlich war es, sich hinzulegen und erst kaum merklich, dann jedoch immer heftiger die taumelnden Bewegungen des Bettes zu spüren. Die Schlafstatt rotiert um alle Achsen, schneller und schneller bringt der holzimitatbeschichtete Zimmergenosse seine Unzufriedenheit über die im zugedachte Position im Bezugssystem zum Ausdruck. Keine Chance, sich mit aller Kraft am Nachttische festklammern zu wollen, der ebenso wenig wie die Stehlampe dazu geeignet ist, den enormen Fliehkräften zu trotzen. Verzweifelt vergraben sich die Finger in die Matratze, verkrampft versucht, endlich dem Bewegungsdrang des Möbels entgegenzuwirken. Vergebens.
Völlig erschöpft sinkt man zusammen, resigniert - ergibt sich der physischen Überlegenheit.
Immer weiter dreht sich das verflixte Bett, dreht sich, dreht sich, dreht sich.
Empfangen von rettender Ohnmacht."

Wahrscheinlich haben manche von Ihnen diese wundersame Erfahrung bereits gemacht.
Doch, geneigter Leser, ist das wirklich die ganze Wahrheit?
Ist dieses seltsame Phänomen das einzige, das wir vom Eigenleben unseres Bettes, ja all unserer Möbel wahrnehmen können?
Weit gefehlt. Tatsächlich verhält es sich so, dass im Zustand der erhöhten Sensibilität ( ich erreiche dieses Stadium bevorzugt an Wochenenden) man überhaupt erst in der Lage ist, seine Möbel in ihrer komplexen Existenz als eigenständige Lebewesen anzuerkennen.
Ganz recht, ich spreche von Lebewesen und nur mit dem notwendigen Einfühlungsvermögen gelingt uns die Kommunikation mit den verborgenen Intelligenzen.


Das Rotieren des Bettes stellt hierbei nur den Anfang der Unterhaltung dar, die in solchen Nächten mit Bücherbord und Schuhschrank geführt werden.
Physikalisch anschaulich lässt sich erklären, dass durch das schnelle Drehen gleichsam eine Schnittstelle, ein Mensch-Möbel-Interface (MMI) hergestellt wird. Dabei geschieht grob gesagt folgendes. Die Gehirnwellen des Menschen, die bekanntermaßen vertikal polarisiert und linksdrehend sind, werden unter dem Einfluss des Dopplereffekts der durch die Rotation entsteht mit den horizontal polarisierten Gedankenwellen der Möbel kreuzkorreliert. So wird erst ein übereinstimmendes Übertragungsmedium einjustiert. Leicht zu erkennen ist jedoch das unweigerliche Auftreten von periodisch wiederkehrenden Phasenauslöschungen, Schwebungseffekte erhöhen zudem die Fehlerauftrittswahrscheinlichkeit während der Informationsübertragung. Damit jedoch die Kommunikation aufrecht erhalten werden kann, ist es zwingend erforderlich, redundante Information zur Fehlerkorrektur mitzusenden und zur Sicherheit die Nachrichten mehrmals zu verschicken.
Für das Möbel kein Problem, benutzt es doch die komplette Faserstruktur zur Informationsverarbeitung, stellen die enormen Datenmengen für den Menschen eine Schwierigkeit dar.

Das Nadelöhr Gehirn wird permanent überlastet, selbst beim besten System zeigen sich bei solch massiven Overflows Ausfallerscheinungen, beim System Mensch meist am nächsten Morgen.
Schade, dass die anstrengende Unterhaltung einen kompletten Neustart unabdingbar macht. So geht die gesamte Weisheit, die unsere Möbel mit uns teilen möchten wieder verloren.

 

 

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